Weilburger Tageblatt 01.12.10
"Beselicher Verhältnisse" erschüttert - Woolrec wird zum Sprengsatz
Das Nein zur Ansiedlung der Firma Woolrec in Beselich ist das konkrete Thema. Die Frage der "politischen Kultur" das grundsätzlichere. Neu-Bürgermeister Kai Müller (parteilos) ist "fassungslos" angesichts persönlicher Angriffe auf sich und seine Familie. Sprecher aller Fraktionen sparen nicht mit Vorwürfen. Zwei Stunden dauern die Aufräumarbeiten nach dem kommunalpolitischen GAU im "Fall Woolrec".
Eine herausfordernde Bürgerversammlung und die Auseinandersetzungen mit einem hartnäckig nachforschenden Bürgerforum liegen hinter den Gemeindevertretern - Kommunalwahlen in wenigen Monaten vor ihnen. Am Montag sind wieder 150 Menschen gekommen, um zu hören, wie über die seit 2008 laufenden Planungen zum Bau einer Anlage, die aus Mineralfasern neuen Baustoff machen soll, entschieden wird. Das Ergebnis: Bis auf fünf Sozialdemokraten und Jörg Diefenbach (FWG/FDP), der sich enthält, stimmen alle Gemeindevertreter mit Nein.
"Reifen sind mit Nägeln gespickt - das bringt meine Familie in Gefahr"
Im Gemeindeparlament, in dem in den vergangenen Jahren "Beselicher Verhältnisse" sprichwörtlich geworden sind (man einigt sich im Vorwege bei strittigen Themen), ist von Einigkeit nichts zu spüren. Zwar zeichnet sich schon im Vorfeld der Sitzung ab, dass der Gemeindevorstand gegen die Pläne ist. Dennoch: Die Emotionen gehen hoch.
Zuerst bei Bürgermeister Kai Müller. Er nutzt die Abendstunde, um nach sechs Monaten im Amt eine Bilanz zu ziehen. Eine Mischung aus Abrechnung und Abwehr. Denn, was Müller von seinem Vorgänger Martin Rudersdorf geerbt hat, geht ihm an die Nieren. Müller: "Ich bin erschüttert über die politische Kultur, die hier in Beselich, aber auch in Deutschland, Einzug gehalten hat. Gemeinde kommt von gemeinsam! Davon ist leider nur wenig zu spüren. Leider bekommt zunehmend der Recht, der am lautesten schreit und dessen Meinung populistisch genutzt werden kann."
Eine sachliche und objektive Auseinandersetzung mit dem Ansiedlungswunsch der Firma Woolrec habe nicht stattgefunden. "Wenn das Vertreten eines Standpunktes dann aber in anonymen Telefonanrufen und Drohbriefen gegen meine Familie und mich gipfelt, dann fällt es mir sehr schwer, hierfür Verständnis aufzubringen. Und wenn als Steigerung des Ganzen dann auch noch die Reifen meines Autos mit Nägeln präpariert werden, fehlen mir die Worte, zumal dieses Auto in der Regel morgens als erstes von meiner Frau benutzt wird, die meine und weitere Kinder aus der Nachbarschaft zum Bus fährt. Ich frage Sie an dieser Stelle, was eine solche kriminelle Handlung rechtfertigt, bei der Unschuldige in Gefahr gebracht werden?", fragt Müller. Vermummte in der Bürgerversammlung, Rundmails an Mandatsträger - das hat für Müller wenig mit Demokratie zu tun, viel mehr mit Erpressung. Der Bürgermeister tritt hart auf am Pult, "meiner Familie zuliebe - und weil es mir jetzt besser geht".
Angefasst ist auch der Vorsitzende der Gemeindevertretung, Christoph Heep (CDU). Anschuldigungen, er habe die Bürgerversammlung mit fast 500 Menschen nicht ordnungsgemäß geleitet, weist er entschieden zurück - mit der Hessischen Gemeindeordnung in der Hand.
Die Sprecher der Fraktionen haben sich in ihren Verteidigungspositionen eingegraben. Michael Jahn (SPD) sieht sich zwischen Baum und Borke: Einerseits lockt die Millioneninvestition. Ein Ja hätte es von Seiten der SPD allerdings nur gegeben, wenn die Anlage unschädlich sei. "Wir sind wie viele Bürger nicht von den Argumenten der Firma Woolrec überzeugt. Über Mengenbegrenzungen hätte in Zusatzverträgen entschieden werden können. Aber es erfolgte nichts."
Auch Matthias Schenk (Freie Wähler/FDP) kritisiert die Informationspolitik. "Wir haben in unserer Fraktion internen und externen Sachverstand zusammengezogen und einen Katalog von 54 Fragen an Woolrec formuliert. Die Antworten stehen bis heute aus. Uns ist es ein Rätsel, wie sich ein Investor derart unkooperativ gegenüber gewählten Gemeindevertretern verhalten kann." Die Darbietungen der Firmenvertreter bei der Bürgerversammlung nennt Schenk "fragwürdig". Schon im Ältestenrat habe er gewarnt: "Woolrec hat das Potenzial zum Beselicher Stuttgart 21". Der CDU wirft er vor, sich an die Absprache, ergebnisoffen an die Sache heranzugehen, nicht gehalten zu haben. Die Christdemokraten seien "auf halbem Weg ausgeschert". "Wir von der FDP/FWG sind bitter enttäuscht über unsere Kollegen. Ich persönlich werde keiner Einladung zum Ältestenrat mehr Folge leisten".
"Wir können doch nicht im Ältestenrat entscheiden", hält der CDU-Fraktionschef Theo Schneider entgegen. Sehr skeptisch seien die Christdemokraten von Anfang an gewesen. Schon auf der Fraktionssitzung Mitte Oktober hätten sich alle Mitglieder gegen die Ansiedlung ausgesprochen. Zu viel habe Beselich mit Müll zu tun, jetzt noch eine Sondermüllverarbeitung auf zehn Hektar - "da kann man die Akzeptanz verspielen". Rüdiger Brühl (CDU) assistiert: "Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Wir müssen auf die Bürger hören, das haben wohl einige verpennt." Der Ältestenrat - dem Gremium, in dem die Fraktionsspitzen mit dem Bürgermeister und dem Gemeindevertretungsvorsitzenden normalerweise nicht mehr als die Sitzungsagenda festlegen - dürfe kein Mauschelclub sein, ergänzte eric Heymann.
Information
Von der Entscheidung des Beselicher Parlaments gegen einen Grundstücksverkauf an die Firma Woolrec zeigte sich am Dienstag deren Geschäftsführer Edwin Fritsch überrascht. Ob und wenn ja wie lange das Unternehmen nun am alten Standort im Braunfelser Tiefenbach bleibt, war gestern völlig unklar. "Ich bin jetzt dabei, mich neu zu sortieren, denke darüber nach, wie ich mich weiter aufstelle", sagt der Betreiber der Weiterverwertung von Mineralfaserabfällen. Klar ist jedoch, dass er in Tiefenbach seine Anlage nicht erweitern kann, was Ziel bleibt. Im Braunfelser Stadtteil protestiert jedoch ebenfalls eine Interessengemeinschaft von Bürgern gegen die Firma, weil die Anwohner Krebs durch Faserstoffe in der Luft befürchten. Mehrfache Tests des Regierungspräsidiums hatten das jedoch nicht bestätigt. Die Gemeinde Beselich habe vor zwei Jahren extra für seine Ansiedlung ein Gewerbegebiet in Industriegebiet umgewidmet, der Vertrag mit der Gemeinde sei bereits unterschriftsreif ausgehandelt gewesen, versteht der Woolrec-Betreiber die Wende nicht. "Aber das ist Demokratie, natürlich ist es das Recht des Parlaments so zu entscheiden", sagt Fritsch. Das Vorgehen der Kommune nennt er dennoch seit einer Bürgerversammlung in Beselich "unseriös". Einen dort vorgelegten Fragenkatalog habe er weitgehend beantwortet, obwohl ihm dazu nur eine Woche Zeit eingeräumt worden sei. Zwei Fragen nach Art und Form der Fasern hätten aber Gutachten erfordert, so Fritsch, was aufgrund der wenigen Zeit nicht machbar gewesen sei. (sap)
Kommentar des Bürgerforums: Bei den Vermummten auf dem obigen Bild handelt es sich um Beselicher Bürger, die auch von jedem als solche erkannt wurden. Das von ihnen getragene Outfit entsprach genau der Arbeitskleidung, die auch in der Fa. Woolrec getragen werden muss. Zudem hat dieses Spalier nur vor dem Bürgerhaus Aufstellung genommen. Bei Beginn der Versammlung war das Spalier dann verschwunden. Zu behaupten, dies sei ein undemokratischer Akt und Erpressung gewesen, ist nicht nachzuvollziehen und absolut überzogen.
Der Vorwurf. "Eine sachliche und objektive Auseinandersetzung mit dem Ansiedlungswunsch der Fa. Woolrec habe nicht stattgefunden" ist definitiv falsch und wird durch die vom Bürgerforum veröffentlichten gut recherchierten Fakten klar widerlegt. Wir sind der Meinung, nicht wer am lautesten schreit bekommt Recht, sondern derjenige, der die besseren Sachargumente hat. Insofern stimmen wir auch in diesem Punkt nicht mit Herrn Müller überein.
Von kriminellen Machenschaften unbekannter Kräfte hat sich das Bürgerforum frühzeitig und nachweisbar distanziert. Für solche Methoden können wir absolut kein Verständnis aufbringen. Ebensowenig können wir auch Verständnis dafür aufbringen, wenn unterschwellig versucht wird, das Bürgerforum für diese kriminellen Aktionen verantwortlich zu machen.
Weilburger Tageblatt - 26.11.10
Wool.rec: Pläne stehen vor dem "Aus" - Vorstand lehnt Ansiedlung ab
Beselich. Für die Firma Wool.rec zeichnet sich ein Scheitern ihrer Ansiedlungspläne für das Gewerbegebiet Investzentrum in Obertiefenbach ab: Der Gemeindevorstand in Beselich hat beschlossen, dem Unternehmen kein Grundstück zu verkaufen. Das letzte Wort haben die Gemeindevertreter: Das Beselicher Parlament wird sich am Montag, 29. November, mit dem Thema befassen.
Seit Anfang 2008 verhandelt Wool.rec mit der Gemeinde über den Verkauf eines Grundstücks im Gewerbegebiet Investz-entrum. Inzwischen liegt ein unterschriftsreifer Vertragsentwurf auf dem Tisch. Käme der Verkauf zu Stande, würde dies der Gemeinde rund 1,2 Millionen Euro einbringen. Wool.rec ist derzeit das einzige Unternehmen, das sich für eine Ansiedlung im Investzentrum interessiert. Die Firma, die derzeit im Braunfelser Ortsteil Tiefenbach ihren Sitz hat, wollte sich mit dem Umzug nach Beselich vergrößern und etwa zehn Millionen Euro in den Aufbau des neuen Standorts investieren.
Dieses Vorhaben steht nun vor dem "Aus". Denn der Gemeindevorstand hat eine Kehrtwende gemacht. Zu den Gründen, weshalb das Gremium die Ansiedlungspläne von Wool.rec inzwischen ablehnt, machte Bürgermeister Kai Müller (parteilos) keine Angaben. Der Vorstand tage grundsätzlich nicht-öffentlich. Er gehe aber davon aus, dass die Parteien bei der Gemeindevertretersitzung am kommenden Montag den Bürgern ihre Haltung zu dem Thema erklärten, sagte Müller.
Die Gemeindevertretung kann sich nach wie vor dafür entscheiden, Wool.rec ein Grundstück im Gewerbegebiet zu verkaufen - oder zumindest weitere Verhandlungen mit dem Tiefenbacher Unternehmen zu führen. Die CDU-Fraktion hat allerdings bereits ihre Ablehnung signalisiert. Die beiden anderen Fraktionen, SPD und FDP/FWG, haben sich noch nicht geäußert.
Parlament tagt am Montag ab 20 Uhr im großen Saal des Bürgerhauses
Seit Wochen sorgen die Ansiedlungspläne von Wool.rec in Beselich für eine hitzige Debatte. Vor allem die Angst vor einer möglichen gesundheitlichen Gefährdung treibt die Bürger um. Grund: Die künstlichen Mineralfasern, die bei Wool.rec verarbeitet werden, gelten zum Teil als gefährliche Stoffe und stehen im Verdacht, Krebs erregen zu können.
Aus Protest gegen die Ansiedlungspläne gründete sich in Beselich unter anderem ein Bürgerforum. Dass das Thema den Bürgern auf den Nägeln brennt, zeigte sich auch anhand der Resonanz bei einer Bürgerversammlung Anfang November: Rund 600 Bürger kamen zu der Versammlung.
Mit einem ähnlich hohen Interesse von Seiten der Bürger ist auch für die Gemeindevertretersitzung am Montagabend zu rechnen. Die Sitzung findet deshalb im großen Saal des Bürgerhauses (Steinbacher Straße 10) in Obertiefenbach statt. Beginn ist um 20 Uhr.
Nassauische Neue Presse - 25. 11.10
Kehrtwende bei «Woolrec», Gemeindevorstand Beselich revidiert früheren Beschluss: Ansiedlung von Recyclingfirma jetzt abgelehnt.
Der Beselicher Gemeindevorstand hat in seiner Haltung gegenüber «Woolrec» eine Kehrtwende vollzogen und lehnt die Ansiedlung des Unternehmens in der Gemeinde – entgegen seiner früheren Position – jetzt ab.
Beselich. Nach heftigen Bürgerprotesten gegen das Ansiedlungsvorhaben des Mineralfaser-Recyclers «Woolrec» im Beselicher Investzentrum an der B 49 hat der Gemeindevorstand nun offenbar die Reißleine gezogen. Wie Bürgermeister Kai Müller (parteilos) auf Anfrage dieser Zeitung berichtet, hat der Gemeindevorstand in seiner Sitzung am Montagabend gegen den Verkauf eines Grundstücks im Industriegebiet an den Investor Edwin Fritsch aus Braunfels gestimmt. Der Gemeindevertretung wird nun zur Sitzung kommenden Montag, 29. November, 20 Uhr, davon abgeraten, dem Unternehmer das gewünschte Grundstück zu verkaufen.
Anfrage beim Städtebund
Damit hat der Vorstand einen früheren Beschluss aufgehoben, wonach der Verkauf an Woolrec dem Parlament ausdrücklich vorgeschlagen werden sollte. Dass die Angelegenheit nun überhaupt noch von der Gemeindevertretung behandelt wird, geht auf eine vom Gemeindevorstand angeforderte Stellungnahme des Gemeinde- und Städtebundes zurück, so Bürgermeister Müller. Dieser habe empfohlen, dass das Parlament bei einem Vorhaben von solcher Bedeutung für die Gemeinde auch über einen negativen Beschlussvorschlag des Gemeindevorstands abstimmen sollte. Von «wesentlicher Bedeutung» sei der Ansiedlungswunsch von Woolrec vor allem deshalb, weil die Gemeinde Beselich die Möglichkeit gehabt hätte, ein Gewerbegrundstück im Wert von mehr als einer Million Euro zu verkaufen, sagte Müller. Nach nochmaliger Prüfung sämtlicher Fakten sei der Vorstand aber zu dem Schluss gelangt, auf eine Ansiedlung von Woolrec zu verzichten, sagte der Bürgermeister.
Der Sprecher des Bürgerforums gegen Woolrec, Andreas Kloft, zeigte sich erfreut über die Meinungsänderung des Gemeindevorstands, die nun allerdings erst noch vom Parlament bestätigt werden müsse. «Es freut uns, dass die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger, die bei der Einwohnerversammlung geäußert wurden, ernst genommen wurden», sagte Kloft. Die Stimmung in der Bevölkerung sei offenbar unterschätzt worden. «Wir waren selbst überrascht über das Echo während der Einwohnerversammlung», sagte der Sprecher. Dennoch sei es noch zu früh zum Jubeln: «Die Tendenz ist erfreulich, aber wir bleiben skeptisch.»
Unterdessen zeichnet sich auch im Parlament eine Mehrheit gegen Woolrec ab, wenngleich sich bisher lediglich die CDU-Fraktion öffentlich gegen die Ansiedlung des Recyclers ausgesprochen hat. Doch gibt es nach NNP-Informationen auch in der SPD-Fraktion inzwischen etliche Vorbehalte.
Breiter Protest
Den Verkauf eines Gewerbegrundstücks an den Braunfelser Investor hatte noch Müllers Vorgänger Martin Rudersdorf (parteilos) angestoßen. Im Vorgriff auf den Grundstücksverkauf hatte das Parlament 2009 bereits einen Teil des Investzentrums in ein Industriegebiet umgewandelt. Öffentlich aufmerksam wurden Bürger auf das Thema aufgrund eines Zeitungsberichts Anfang Oktober, in dem es um Bürgerproteste gegen Woolrec in Braunfels-Tiefenbach ging. Wenig später gründete sich ein Bürgerforum, das sich zum Ziel gesetzt hatte, Woolrec – notfalls auch mit einem Bürgerentscheid – in Beselich zu verhindern. Die Gegner befürchten, dass von freigesetzten Mineralfaserpartikeln womöglich gesundheitliche Gefahren für die Bürger ausgehen könnten. Dagegen hat Investor Edwin Fritsch erklärt, dass das von ihm entwickelte Verfahren, bei dem alte Mineralfaser zur Herstellung eines Dämmsteins («Woolit») aufbereitet werden, sämtliche Grenzwerte des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erfülle.goe
Kommentar des Bürgerforums: Eine Entscheidung über den Verkauf des Grundstücks fällt erst auf der Gemeindevertretersitzung am 29.11.10. Bislang haben aber weder SPD, noch FDP/FWG öffentlich ihre Meinung zu dem Thema kundgetan. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich diese beiden Parteien positionieren.
Weilburger Tageblatt 10.11.10
"Ängste sind nicht zerstreut" 600 Beselicher kommen wegen Ansiedlung von Wool.rec zur Bürgerversammlung
Beselich. Es ist ein Thema, das den Bürgern unter den Nägeln brennt: Die umstrittene Ansiedlung des Recycling-Unternehmens Wool.rec im Investzentrum in Obertiefenbach. Zur Bürgerversammlung am Montagabend im dortigen Bürgerhaus sind denn auch etwa 600 Beselicher gekommen.
Der Widerstand gegen die Ansiedlungspläne von Wool.rec zeigte sich schon am Eingang: Mitglieder des Bürgerforums hatten sich mit Schutzanzügen und -masken vor der Tür postiert, hielten Protestschilder in die Höhe, wie sie in diesen Tagen auch an vielen Häusern in Beselich zu sehen sind. Im Bürgerforum haben sich vor wenigen Wochen einige Beselicher zusammen geschlossen, um gegen die Ansiedlung von Wool.rec vorzugehen.
Bürger fürchten mögliche gesundheitliche Gefahren durch Fasern
Es ist vor allem die Angst vor möglichen gesundheitlichen Gefahren, die die Bürger umtreibt. Dies wurde auch bei der Bürgerversammlung deutlich. Wie gefährlich sind die Fasern, die das Unternehmen mit der Abluft in die Umwelt abgibt? Wie viele Fasern werden es sein? Wie sicher ist der Betrieb? Wie wirksam sind die Kontrollen? Diese und weitere Fragen wurden von Bürgerseite gestellt. Die künstlichen Mineralfasern, die teilweise bei Wool.rec verarbeitet werden, gelten als gefährliche Stoffe. Dabei handelt es sich um Dämmstoffe, die seit dem Jahr 2000 nicht mehr verkauft werden dürfen.
Wool.rec bereitet diese Mineralfasern auf und verarbeitet sie weiter. "Diese alten Faserstoffe stehen im Verdacht, Krebs erregend zu sein. Einen eindeutigen Nachweis gibt es nicht", sagte Hartmut Schäfer, Chemiker vom Regierungspräsidium (RP) Gießen, das als Aufsichtsbehörde für die Genehmigung und Überwachung der Anlage zuständig ist. 50 000 Fasern pro Kubikmeter dürfen mit der Abluft in die Umwelt abgegeben werden. Das ist der gesetzliche Grenzwert. "Wer sagt uns denn, das dieser Grenzwert okay ist?", wollte Norbert Bandur wissen. Dietrich Weiß, Hausarzt in Obertiefenbach, merkte an: "Emissionen führen zu Krankheiten. Früher war von der Gefährlichkeit von Asbest auch nie die Rede." Bernd Litzinger, der sich im Bürgerforum engagiert, fragte: "Der Grenzwert bezieht sich auf einen Kubikmeter. Was ist, wenn die Anlage erweitert wird und mehr Kubikmeter Abluft freigesetzt werden?". Dann würde sich auch die Zahl der freigesetzten Fasern erhöhen. Petra Meilinger gab zu bedenken: "Wenn sich ein Unternehmen hier erstmal angesiedelt hat, kann es die Grenzwerte auch ausschöpfen. Die Gemeinde hat dann keinen Einfluss mehr darauf."
Schäfer vom RP entgegnete: "Selbst ein paar Millionen Fasern sind nicht viel. Was bei einem Diesel-Auspuff an Partikeln hinten rauskommt, geht in den Milliarden-Bereich. Diese Partikel sind eindeutig Krebs erregend. Da regt sich keiner auf." Alle drei Jahre wird die Anlage von Wool.rec vom TÜV Rheinland überprüft. Die Kontrollen werden angekündigt. "Wer garantiert, dass die Anlage in der Zwischenzeit reibungslos läuft?", wollte Andreas Kloft wissen. "Die Kontrollen sind mit einem enormen planerischen Aufwand verbunden. Sie sind deshalb nur angekündigt möglich", schilderte Peter Pohl von der Firma Pohl Umwelttechnik, die mit Wool.rec zusammenarbeitet. Neben diesen speziellen Kontrollen gebe es aber weitere Kontrollen - zum Beispiel im Bereich des Arbeitsschutzes. Zur Menge der Fasern, die sich möglicherweise in der Umwelt rund um Beselich niederschlagen, stellte die Beselicher Umweltwissenschaftlerin Stefanie Meilinger Fragen: "Wie breiten sich die Fasern in der Umgebung aus? Und was atmen wir dann in 50 Jahren ein?". Es fehlten Modelle, um zu berechnen, wie sich die Fasern in der Umwelt ausbreiteten, sagte Professor Stefan Gäth von der Justus-Liebig-Universität, der die Anlage der Firma Wool.rec mitentwickelt hat. Sprich: Wie weit die Fasern fliegen und wo sie sich überall ablagern, ist nicht bekannt. "Wenn die Fasern Frost und Hitze ausgesetzt sind, verwittern sie", schilderte Gäth. Mit der Verwitterung würden die Fasern in Stücke brechen, die mögliche gesundheitliche Gefährdung nehme damit weiter ab. Was passiert, wenn in dem Betrieb ein Störfall auftreten sollte? "Wenn etwas schief geht, wird der Strom abgestellt und dann steht die Anlage. Außerdem gibt es ein Brandschutz-konzept", schilderte Peter Pohl.
Wool.rec-Geschäftsführer Edwin Fritsch betonte, dass es Tests mit den Materialien gegeben habe: "Die brennen nicht." Fritsch lud die Bürger mehrfach ein, sich am jetzigen Standort von Wool.rec im Braunfelser Ortsteil Tiefenbach die Anlage anzu-schauen. Großen Beifall gab es für einen Jugendlichen, der sich zu Wort meldete: "Warum gehen Sie nicht nach Hoechst? Da gehört so ein Unternehmen hin." Alternative Standorte hat Wool.rec bisher nicht geprüft: "Das war nicht nötig. Wenn die Gemeindevertretung uns kein Grundstück verkauft, müssen wir aber über Alternativen nachdenken", so Fritsch. Bereits seit zweieinhalb Jahren gebe es Verhandlungen mit der Gemeinde Beselich. Die Gemeindevertreter haben zudem im vergangenen Jahr einen Teil des Gewerbegebiets in ein Industriegebiet umgewandelt, um Wool.rec die Ansiedlung zu erleichtern. "Eine solche Anlage gehört in ein Industriegebiet", sagte Gerhard Bökel, ehemaliger hessischer Innenminister. Bökel ist derzeit Anwohner der Firma Wool.rec in Tiefenbach. "In Tiefenbach gibt es in der Nachbarschaft von Wool.rec auf allen vier Seiten Wohnbebauung. Das ist hier nicht der Fall", sagte Bökel und wandte sich an die Beselicher: "Die Ängste der Tiefen-bacher sind die gleichen wie Ihre."
Ein Bürger meldet sich zu Wort und erinnert daran: "Im Frühjahr sind Wahlen" Bürgermeister Kai Müller (parteilos), der die von seinem Vorgänger Martin Rudersdorf begonnenen Verhandlungen mit Wool.rec fortführt, betonte: "Es besteht noch kein rechtsgültiger Vertrag mit der Firma. Die Gemeindevertreter müssen jetzt alle Argumente abwägen und dann eine Entscheidung fällen. Das bedeutet auch: Nicht, wer am lautesten schreit, bekommt zwangsläufig recht." Rund drei Stunden dauerte die Versammlung. "Unsere Ängste sind nicht zerstreut", merkte ein Bürger zum Schluss an. Er forderte die Gemeindevertreter auf, Schaden von der Gemeinde abzuwenden und Wool.rec kein Grundstück im Gewerbegebiet zu verkaufen. Er erinnerte daran: "Im Frühjahr sind Kommunalwahlen."
Nassauische Neue Presse 10.11.10
Breites Misstrauen gegen «Woolrec» Rund 500 Besucher bei Bürgerversammlung in Obertiefenbach
Das Thema «Woolrec» mobilisiert in Beselich die Massen: Rund 500 Bürger kamen am Montagabend zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung ins Bürgerhaus, bei der es um die für Mitte 2011 geplante Ansiedlung des Braunfelser Mineralfaser-Recyclers ging.
Beselich. Woolrec-Geschäftsführer Edwin Fritsch hatte an diesem Abend einen schweren Stand. Kein einziger Redner aus dem Publikum, der für ihn Partei ergriffen hätte. Stattdessen hagelte es Vorwürfe, Zweifel und Misstrauen gegen sein preis-gekröntes Verfahren, mit dem er Mineralfaser zu einem Dämmstein («Woolit») aufbereitet. Im Mittelpunkt der Debatte stand die Frage, ob von der im Beselicher Investzentrum geplanten Anlage gesundheitliche Gefahr ausgeht. Unterstützung erfuhren die Anlagegegner von Gleichgesinnten aus Braunfels-Tiefenbach, wo Fritsch bereits ein Werk in Nachbarschaft zu einem Wohn- gebiet betreibt. Unter den Tiefenbacher Woolrec-Gegnern war auch der frühere SPD-Innenminister Gerhard Bökel. In einer nächsten Sitzung muss die Gemeindevertretung Beselich entscheiden, ob sie dem Investor das notwendige Grundstück verkauft.
Wie «aus einem gefährlichen Abfall» ein «hochwertiges Produkt» wird, erläuterte der Umwelttechniker Peter Pohl. Demnach werden die angelieferten Mineralfasern beständig feucht gehalten, so dass in Verbindung mit Filteranlagen sowohl nach innen als auch nach außen der Faserausstoß die Grenzwerte nicht überschreite. Im Gegenteil: Laut Messungen seien die gesetz-lichen Vorgaben von höchstens 250 000 Fasern pro Kubikmeter Luft im Inneren der Anlage und von 50 000 Fasern nach außen zum Teil deutlich unterschritten worden, sagte Pohl. Laut Fritsch ist das Verfahren weiter verbessert worden, so dass er hoffe, dass derzeit sogar weniger Fasern entwichen als noch bei der letzten Messung 2008.
Zur Frage möglicher Gesundheitsgefahren durch Faserpartikel äußerte sich Dr. Hartmut Schäfer vom Regierungspräsidiums Gießen. In der Forschung sei umstritten, ob Mineralfasern beim Menschen tatsächlich Krebs auslösen oder nicht. Es fehlten die Beweise dafür. Keinesfalls seien Mineralfasern mit gefährlichen Stoffen wie Asbest gleichzusetzen, obwohl auch sie als «gefährlich» eingestuft seien.
Zweifel an Grenzwerten
Zweifel an der Gültigkeit von Grenzwerten wurden an diesem Abend mehrfach geäußert. Beim «Fallout» von Fasern handele es sich um feste Schwebestoffe, die liegen blieben und vom Wind immer wieder aufgewirbelt würden, sagte Norbert Bandur. Er befürchte, dass ein Industriebetrieb bestrebt sei, immer nur das Mindeste zu tun, um Auflagen einzuhalten. Auch Petra Meilinger hatte «Zweifel an der «Aussagekraft von Grenzwerten», die ein Mix aus dem technisch Machbaren und dem gesellschaftspolitisch Gewollten seien. Bernd Litzinger, Mitbegründer eines Bürgerforums gegen die Ansiedlung von «Woolrec», sprach von einem zu erwartenden Ausstoß von 500 Millionen Fasern pro Stunde, wenn Woolrec, wie geplant, 40 000 Tonnen Fasern jährlich verarbeitet. Die Anlage sei weit davon entfernt, emissionsfrei zu laufen, wie von Betreiber Fritsch behauptet. Fritsch entgegnete, er habe lediglich von «null Staubemissionen» gesprochen.
Dr. Schäfer sagte, die Zahl von 500 Millionen Fasern sei in der Welt des Mikrokosmos nicht sonderlich hoch. Ein einziger Dieselmotor erzeuge Milliarden Partikel. Stefanie Meilinger hatte weniger Angst vor der aktuellen Belastung als vor der Akkumulation über Jahre hinweg. «Wir wissen heute nicht, was wir in 50, 100 Jahren einatmen.» Dr. Dietrich Weiß meinte, Beselich sei mit Abfallanlagen genug belastet. Eine Bürgerin appellierte an die Gemeindevertretung, die Sicherheit der Bevölkerung im Auge zu behalten. Andere empfahlen den Standort Höchst statt Beselich. Monika Reuscher kritisierte, dass nur alle drei Jahre Emissionen gemessen werden sollen, dazu noch mit vorheriger Anmeldung. «Und wer garantiert für den einwandfreien Betrieb zwischen den Messungen?» fragte Andreas Kloft.
Den Ängsten der Bürger hielt der Gießener Professor Stefan Gäth entgegen, ihm sei kein einziger Krebstoter bei Mineral-faserherstellern bekannt. Außerdem unterlägen Fasern der natürlichen Verwitterung. Den Einwand eines Landwirts, die Fasern könnten umliegende Getreidefelder belasten, wollte Gäth nicht gelten lassen: «Ich bezweifle, dass sich in der Nahrung Faserspuren feststellen lassen.» Fritsch klagte über Anfeindungen, denen er in Tiefenbach ausgesetzt sei. So seien Fasern dort bewusst ausgestreut worden, um das RP Gießen auf den Plan zu rufen. Er wolle nichts tun, was den Bürgern schadet. Er verstehe nicht, warum sein vom Bundesumweltministerium gefördertes Verfahren schlecht gemacht werde. 2009 sei er 19 Mal – unangekündigt – überprüft worden, ohne dass etwas beanstandet worden sei, sagte Fritsch. «Diese Hetzkampagne ist mir unverständlich».
Bürgermeister Kai Müller (parteilos) erklärte, dass bisher kein rechtsgültiger Vertrag mit Woolrec geschlossen worden sei. Die Ansiedlung sei für Beselich wegen der damit verbundenen Gewerbesteuereinnahmen und Arbeitsplätzen interessant. «Investoren fallen nicht vom Himmel», sagte er. Dass Woolrec bereits ein Thema des bevorstehenden Wahlkampfs ist, machte ein Bürger deutlich, der dazu aufrief, genau hinzuschauen, welche Gemeindevertreter für die Ansiedlung stimmt. Dass Woolrec bereits ein Thema des bevorstehenden Wahlkampfs ist, machte ein Bürger deutlich, der dazu aufrief, genau hinzuschauen, welche Gemeindevertreter für die Ansiedlung stimmt. «Im Frühjahr ist Kommunalwahl!»
Nassauische Neue Presse 03.11.10
Bürger wollen Recycler verhindern - Beselicher Initiative sammelt Unterschriften gegen die Ansiedlung der Firma „Wool.rec“
Eine Bürgerinitiative will den geplanten Bau eines Mineralfaser-Recyclingwerkes im Investzentrum Beselich verhindern – notfalls auch mit einem Bürgerentscheid.
Beselich. Nach Ansicht einer zehnköpfigen Initiativgruppe, die nach eigenen Angaben inzwischen mehr als 150 Unterstützungsunterschriften gesammelt hat, gehen von dem geplanten Werk womöglich gesundheitliche Gefahren für die Beselicher Bürger aus, zumal die Fabrik nur wenige hundert Meter von der nächstgelegenen Wohnbebauung entstehen soll. «Wir gehen davon aus, dass die Anlage Fasern freisetzt, die im Verdacht stehen, krebserregend zu sein», sagte Bernd Litzinger gegenüber der NNP. Sein Mitstreiter, der Umweltingenieur Thomas Meilinger, bestätigt diese Einschätzung aus seiner fachlichen Sicht: Nach Durchsicht der vom RP Gießen zur Verfügung gestellten Messprotokolle für die bestehenden Anlage in Braunfels-Tiefenbach habe er einen Faserausstoß von 150 000 bis 200 0000 Einzelfaserhärchen pro Sekunde für die Anlage in Obertiefenbach hochgerechnet. Nicht von allen diesen Fasern gehe eine Gefahr aus, schränkt Meilinger ein. Doch sei die Behauptung des Anlagenbetreibers Edwin Fritsch, dass überhaupt keine Emissionen stattfinden, mit Sicherheit falsch, sagt er.
Obwohl der gesetzliche Grenzwert von 50 000 Fasern pro Kubikmeter Abluft von der Anlage zweifelsfrei eingehalten werde – die Messungen lagen bei 17 630 bis 35 600 Fasern –, könnten gesundheitliche Gefahren für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden, meint Andreas Kloft. «Niemand weiß heute, was diese Fasern in 20 oder 30 Jahren bewirken», sagt er. Denn das Fatale der Mineralfasern sei, dass sie in keiner Weise abgebaut würden. Sorge bereite denn auch weniger die laufende Faserbelastung als deren Akkumulation über die Jahre und vielleicht Jahrzehnte hinweg.
Es ist Sondermüll
Die Gegner betonen, dass es sich bei den Mineralfasern, die in Beselich verarbeitet werden sollen, um Sondermüll handelt. Nicht umsonst sei seit dem Jahr 2000 die Produktion von kleinstfaserigen Dämmstoffen verboten. Zwar sei die krebserzeugende Wirkung auf den Menschen nicht abschließend nachgewiesen, so Thomas Meilinger, sehr wohl aber auf Tiere. In Beselich sei nach Angaben des Betreibers eine Großanlage geplant, die bis zu 60 000 Tonnen Mineralfaserdämmstoffe zu einem Dämmstein namens «Woolit» verarbeiten soll. Angeliefert werden soll nach Firmenangaben an 270 Tagen pro Jahr. Schon jetzt gebe es in der Beselicher Bürgerschaft großen Unmut über Beselich als «Müllstandort», betonen Meilinger, Kloft und Litzinger mit Hinweis auf die Abfalldeponie und das Kompostwerk, über das es in den vergangenen Jahren vor allem in Heckholzhausen immer wieder Beschwerden gegeben habe.
Ein weiterer Kritikpunkt der Gegner sind die zu erwartenden Lärmemissionen bei Nacht, denn die Anlage soll offenbar im Dreischichtbetrieb laufen. Auch das zu erwartende erhöhte Verkehrsaufkommen könnte zur Belastung werden. Sorgen bereite einigen Bürgern auch der mögliche Werteverfall ihrer Häuser. Denn wenn Beselich als Wohnstandort an Attraktivität verliere, könnte dies negative Auswirkungen auf die örtlichen Immobilienpreise haben, so Kloft, Meilinger und Litzinger. goe
Weilburger Tageblatt 3.11.10
Bürger sehen Gefahr für Gesundheit - "Bürgerforum Beselich" meldet sich zu Wort / Gelangen Fasern in die Luft?
Beselich. In der Debatte um die geplante Ansiedlung der Firma Wool.rec im Gewerbegebiet "Investzentrum" Obertiefenbach hat sich das "Bürgerforum Beselich" zu Wort gemeldet. Zehn Bürger haben sich zu dem Forum zusammen geschlossen und nach eigenen Angaben etwa 150 Unterstützer hinter sich. Die Bürger befürchten eine Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung.
Wool.rec ist derzeit noch im Braunfelser Ortsteil Tiefenbach ansässig. Das Unternehmen verarbeitet Glas- und Steinwolle aus alten Dämmstoffen zu einem Produkt mit dem Markennamen "Woolit". Dieses wird unter anderem bei der Herstellung von Tonziegeln verwendet, um deren Wärmedämmung zu erhöhen. Verarbeitet wird auch Mineralwolle, die bis zum Jahr 2000 verkauft werden durfte und im Verdacht steht, Krebs auslösen zu können. Wool.rec will sich vergrößern und interessiert sich deshalb für die Ansiedlung im Gewerbegebiet Obertiefenbach. Hier will das Unternehmen nach eigenen Angaben etwa zehn Millionen Euro investieren.
"Wir fragen uns mittlerweile, ob wir noch nach Obertiefenbach gehen wollen"
Das Bürgerforum hat Bedenken wegen der Ansiedlung von Wool.rec. "Wir sind der Meinung, dass für die Bevölkerung eine Gesundheitsgefahr besteht", sagt Bernd Litzinger aus Obertiefenbach, einer der Beteiligten des Bürgerforums. Das Bürgerforum stützt sich bei dieser Behauptung auf einen Bericht des TÜV Rheinland-Pfalz, der die Firma Wool.rec im Dezember 2008 überprüft hatte.
Die Daten aus dem TÜV-Bericht hat der Umweltingenieur Thomas Meilinger aus Waldbrunn im Auftrag des Bürgerforums unter die Lupe genommen. Er kommt zu dem Schluss: Anders als von Wool.rec behauptet, treten bei der Verarbeitung der künstlichen Mineralwolle mit der Abluft Fasern aus. "Die gesetzlichen Grenzwerte werden dabei allerdings eingehalten", sagt Meilinger. Die Ansiedlungsgegner üben indes Kritik an diesen Grenzwerten: Es werde lediglich die Konzentration der Fasern pro Kubikmeter Luft überprüft - wie viel Abluft das Unternehmen erzeuge, spiele gar keine Rolle. Weil die Firma Wool.rec sich mit dem Umzug nach Obertiefenbach vergrößern will, befürchten die Gegner, dass sich die Belastung am hiesigen Standort erhöhen wird. "Das sind aus unserer Sicht wichtige Bedenken, vor allem, weil die Fasern zum Teil nicht biologisch abbaubar sind", sagt Andreas Kloft vom Bürgerforum.
Weitere Kritikpunkte der Ansiedlungsgegner: Der Lieferverkehr für die Firma Wool.rec am Standort Obertiefenbach werde erheblich sein und zu einer Lärmbelastung führen. Bürger befürchteten zudem einen Werteverfall ihrer Grundstücke, wenn nun neben der Deponie und der Kompostierungsanlage auch noch Wool.rec nach Beselich käme.
Die Frage nach der Gesundheitsgefährdung ist für die Ansiedlungsgegner indes der Knackpunkt. Genehmigt und überprüft wird die Anlage vom Regierungspräsidium (RP) Gießen. Das Genehmigungsverfahren läuft derzeit. "Wenn das RP die Anlage genehmigt, gehen wir auch davon aus, dass keine Gesundheitsgefährdung besteht", sagt Bürgermeister Kai Müller (parteilos).
"Die Behauptung, wir würden tausende Fasern in die Abluft setzen, ist ein Märchen", sagt Wool.rec-Geschäftsführer Edwin Fritsch. Um dem Austreten von Fasern in die Umwelt vorzubeugen, gebe es entsprechende Filteranlagen. Das Unternehmen führe selbst regelmäßig Messungen durch. So seien beispielsweise Mitarbeiter an ihren Arbeitsplätzen mit Messgeräten ausgestattet. "Es gibt hier keine Staubentwicklung. Es fliegen keine Fasern umher", betonte Fritsch. Der Geschäftsführer kritisiert die teilweise unsachliche Stimmungsmache gegen sein Unternehmen: "Es gibt keine sachliche Ebene. Das ist sehr unschön. Wir fragen uns mittlerweile, ob der Standort in Obertiefenbach noch für uns in Frage kommt."
Weitere Informationen sollen die Beselicher am Montag, 8. November, bei der geplanten Bürgerversammlung erhalten. Wer dort auf dem Podium sitzt, ist nach Auskunft von Kai Müller noch nicht abschließend geklärt. Die Bürgerversammlung beginnt um 20 Uhr im Bürgerhaus Obertiefenbach (Steinbacher Straße).
Kommentar de Bürgerforums: Da legt man der Presse Messprotokolle vor, aus denen eindeutig hervorgeht, welche Menge an Fasern gemessen wurden, ohne dass diese Fakten jedoch im Bericht erwähnt werden. Herr Fritsch wird aber mal wieder zitiert: "Die Behauptung, wir würden tausende Fasern in die Abluft setzen, ist ein Märchen" Das Bürgerforum würde sich freuen, wenn die Berichterstattung künftig ausgewogener wäre.
Nassauische Neue Presse 02.11.10
Woolrec: SPD ist enttäuscht über CDU
Beselich. Die Beselicher SPD ist enttäuscht darüber, dass die CDU-Fraktion den zwischen allen Beselicher Fraktionen festgelegten Weg der ergebnisoffenen Diskussion verlassen habe. Das Ziel war, die Diskussion zu versachlichen und im Rahmen der Bürgerversammlung allen Bürgern und Gemeindevertretern die Möglichkeit zur Information aus erster Hand zu geben. Die Informationen sollten nicht nur vom Investor selbst, sondern auch von Fachbehörden und den Gegnern der geplanten Ansiedlung kommen. Nach der Bürgerversammlung hätte dann die weitere Beratung und die Entscheidung in den gemeindlichen Gremien erfolgen sollen, so die SPD.
Mit der öffentlichen Stellungnahme vom Freitag habe die CDU-Fraktion diesen Weg verlassen. Besonders befremdlich ist für die Beselicher SPD, dass die CDU-Fraktion den Bürgerinnen und Bürgern, die sich im Rahmen der Bürgerversammlung durch sachliche Pro-Argumente für die Ansiedlung dieses Betriebes überzeugen lassen, den Stuhl vor die Tür stellt.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Jahn betont, dass es die Aufgabe eines jeden Gemeindevertreters ist, bei seiner Entscheidung zwischen dem Einzelinteresse und dem Gemeinwohl abzuwägen. In der Vergangenheit hat das Parlament bei ähnlich kontroversen und in der Öffentlichkeit emotional geführten Debatten, wie zum Beispiel dem Bau der Schießanlage durch den Schützenverein, hervorragend gearbeitet.
«Durch die vorzeitige Entscheidung der CDU-Fraktion, die Ansiedlung der Firma Woolrec nicht zu unterstützen, haben wir nun das Risiko, dass der Investor mit einer Investitionssumme von zehn Millionen Euro abspringt, bevor alle Fakten auf dem Tisch liegen, die Gremien beraten und dann eine Entscheidung treffen.» Leider habe die CDU diese Tür zugeschlagen, bedauert die SPD. nnp nnp
Nassauische Neue Presse 29.10.10
CDU lehnt Wool.rec mehrheitlich ab
Beselich. Die CDU-Fraktion hat angekündigt, die Ansiedlung der Firma Wool.rec im Beselicher Industriegebiet «Investzentrum» an der B 49 mehrheitlich nicht unterstützen zu wollen. Diese Haltung habe sich nach mehreren Fraktionssitzungen, dem Ortstermin bei der Fa. Wool.rec und nach Auswertung der vorliegenden Fakten entwickelt, teilte der Fraktionsvorsitzende Dr. Theo Schneider mit.
Dabei seien die Vorteile einer Ansiedlung der Firma mit zehn bis 20 Arbeitsplätzen, einem lukrativen Kaufpreis und einer offenkundig zukunftweisenden Technologie nicht grundsätzlich von der Hand zu weisen. Allerdings meint die CDU, dass die zu verarbeitenden Stoffe in bestimmten Konzentrationen weiterhin in Verdacht stehen, gesundheitsschädlich zu sein. Selbst die deutliche Unterschreitung der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte überzeuge nicht, wenn Gefahren für Mensch und Tier mittel- bis langfristig nicht absolut ausgeschlossen werden könnten. Die CDU-Fraktion gehe deshalb davon aus, dass die Ablehnung der Ansiedlung der Firma Wool.rec dem mehrheitlichen Wunsch der Bevölkerung in Beselich entspräche, so Dr. Schneider.
Weiterhin sehe die CDU-Fraktion den Erhalt und den Ausbau der Wohnqualität in Beselich als ein zentrales Feld kommunalen Handelns an. Sie sei sich gleichzeitig sicher, dass im Zuge der konjunkturellen Entwicklung ein anderer Investor gefunden werden könne, der die derzeit bereits angesiedelten Firmen im infrastrukturell herausragend gelegenen Investzentrum an der B 49 nachhaltig bereichern wird.
Befürworter und Gegner rief Dr. Schneider zu einem sachlichen Umgang mit dem Thema auf. Die CDU-Fraktion könne deshalb auch nicht gut heißen, dass Bürgermeister Kai Müller (SPD) in der Sache von Einzelnen unsachlich attackiert und diffamiert werde. Der Bürgermeister an der Spitze der Verwaltung habe die Aufgabe, die mögliche Gemeindeentwicklung auszuloten und alle aufkommenden Fragen zur Beschluss-Entscheidung durch die Gemeindevertretung vorzubereiten und zu kommunizieren. nnp nnp
Kommentar des Bürgerforums: Ein schöner Teilerfolg des Bürgerforums, aber auch nur ein Teilerfolg. Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass ausreichend Mandatsträger für Woolrec stimmen. Daher dürfen wir vorerst nicht nachlassen in unserem Bemühen. Erst wenn FDP und SPD sich ebenfalls eindeutig gegen Woolrec aussprechen, dürfte das Thema durch sein.
Weilburger Tageblatt 29.10.10
Bürger können sich informieren
Beselich. Das Thema Woolrec beschäftigt die Beseliche Bürger weiter: Für Montag, den 8.10.10 sind alle Beselicher Bürger zu einer Bürgerversammlung eingeladen. Beginn der Bürgerversammlung ist um 20 Uhr im Bürgerhaus in Obertiefenbach, Steinbacher Str. Die Bürgerversammlung diene zur Unterrichtung der Bürger und solle insbesondere dem Informationsbedürfnis im Zusammenhang mit der geplanten Ansiedlung der Fa. Woolrec im Gewerbegebiet "Investzentrum B 49" im Beselicher Ortsteil Obertiefenbach dienen, heißt es seitens der Gemeinde.
Es bestehe die Möglichkeit und werde angeregt, Fragen, die an diesem Abend besprochen werden sollen, vorab an die Gemeinde Beselich zu richten. Entsprechende Fragen können entweder an den Gemeindevorstand der Gemeinde Beselich, Steinbacher Str. 10, 65614 Beselich oder aber auch per E-Mail an info@beselich.de übermittelt werden.
Unterdessen meldete sich auch die CDU-Fraktion Beselich zum Thema Woolrec zu Wort. "Die CDU-Fraktion ist jederzeit für einen sachlichen Umgang in der Angelegenheit eingetreten und kann auch nicht gut heißen, dass Bürgermeister Müller in der Sache von Einzelnen unsachlich attackiert und diffamiert wird", heißt es in der Mitteilung der Fraktion. Der Bürgermeister habe die Aufgabe, die mögliche Gemeindeentwicklung auszuloten und alle aufkommenden Fragen zur Beschlussentscheidung durch die Gemeindevertretung vorzubereiten und zu kommunizieren.
"Unterstützen Ansiedlung nicht"
"Die CDU-Fraktion Beselich kommt nunmehr nach mehreren Fraktionssitzungen, dem Orttermin bei der Fa. Woolrec und nach Auswertung der ihr vorliegenden Fakten mehrheitlich zu dem Ergebnis, die Ansiedlung der Fa. Woolrec nicht zu unterstützen". Die zu verarbeitenden Stoffe stünden in bestimmten Konzentrationen weiterhin in Verdacht gesundheitsschädlich zu sein." Selbst die deutliche Unterschreitung der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte überzeugt letztendlich nicht, wenn Gefahren für Mensch und Tier mittel - bis langfristig nicht absolut ausgeschlossen werden können", so die CDU. Die Fraktion sehe den Erhalt und Ausbau der Wohnqualität in Beselich als ein zentrales Feld kommunalen Handelns an. Sie sei sicher, dass ein anderer Investor gefunden werden könne, der die derzeit bereits angesiedelten Firmen im Investzentrum an der B 49 nachhaltig bereichern werde.
Nassauische Neue Presse 28.10.10
Bürgerversammlung zum Thema «Wool.rec»
Beselich. Die im Sommer 2011 geplante Ansiedlung der Firma Wool.rec aus Braunfels im Industriegebiet Beselich («Investzentrum») an der B 49 ist Thema einer Bürgerversammlung, zu der der Vorsitzende der Gemeindevertretung, Christoph Heep, für Montag, 8. November, 20 Uhr, ins Bürgerhaus Obertiefenbach einlädt. Ziel der Versammlung ist es, über den Recycling-Betrieb zu informieren und Fragen aus der Bürgerschaft zu klären. Fragen, die an diesem Abend besprochen werden sollen, können vorab an die Gemeinde Beselich gerichtet werden, entweder schriftlich an den Gemeindevorstand, Steinbacher Straße 10, 65614 Beselich, oder aber auch per E-Mail unter info@Beselich.de.
Wie von dieser Zeitung mehrfach berichtet, befürchten einige Bürger, dass von der in Beselich geplanten Aufbereitung von Mineralfasern zu einem Dämmstein namens «Woolit» gesundheitliche Gefahren ausgehen könnten. Dem gegenüber versichert das Braunfelser Unternehmen, dass die Anlage so konzipiert ist, dass es keinerlei Faser-Emissionen geben soll. Zwischenzeitlich hat sich ein Bürgerforum gegründet, das die Ansiedlung von Wool.rec in Beselich verhindern will. Über die Internetseite www.buergerforum-beselich.de sammelt die Initiative Unterschriften offenbar mit der Absicht, einen Bürgerentscheid zu dem Thema herbeizuführen. Die von Wool.rec aufbereiteten Fasern werden von den Gegnern als gesundheitsgefährdend bezeichnet. Unter anderem werden deshalb neutrale Gutachten gefordert. goe
Weilburger Tageblatt 22.10.10
Merenberg - SPD: Gefahr für Gesundheit prüfen Merenberger Parlament soll über Antrag beraten
Merenberg (sod). Einen Dringlichkeitsantrag hat die Merenberger SPD-Fraktion für die nächste Gemeindevertretersitzung am kommenden Donnerstag, 28. Oktober, gestellt.
"Der Gemeindevorstand wird aufgefordert, unverzüglich mit der Gemeinde Beselich und der Firma Wool.rec Kontakt aufzunehmen. Mit den Beteiligten ist abzuklären, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen der Bürgerinnen und Bürger des Marktfleckens Merenberg, durch den Betrieb einer Mineralwolle verarbeitenden Anlage vollkommen ausgeschlossen werden können. Die Gemeindevertretung ist über die Vorgehensweise und über die Ergebnisse in der nächsten Sitzung zu unterrichten", fordert die SPD-Fraktion.
Ihren Vorstoß begründen die Sozialdemokraten damit, dass "die Verarbeitung von Glas- und Steinwolle nachweislich Krebs fördernd ist und wir aufgrund der Windverhältnisse unmittelbar von einer solchen Anlage betroffen wären." Deshalb solle der Marktflecken ein "ganz deutliches Signal" an die Vertreter in Beselich senden. "Grundsätzlich sollte der Marktflecken Merenberg eine solche Anlage in unmittelbarer Nähe, wie jetzt hier in der Gemeinde Beselich, ablehnen", meint SPD-Fraktionschef Jürgen Wenzel.
Den Dringlichkeitsantrag habe man deshalb gestellt, so die SPD weiter, da der Planungsstand nach ihren Informationen "sehr weit fortgeschritten" sei und deshalb nicht bis zur Sitzung des Parlaments im Dezember gewartet werden könne. Wenn die Gemeindevertreter am Donnerstag (19.30 Uhr, Dorfgemeinschaftshaus Reichenborn) mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen, wird der Antrag auf die Tagesordnung genommen.
Weilburger Tageblatt 03.09.2010
Tiefenbacher Bürger fürchten Krebs Wool.rec recycelt Dämmstoff / Bökel: Gesundheitsgefahr,
Braunfels-Tiefenbach. Sehr lebhaft ist es am Mittwochabend bei der Bürgerversammlung im Braunfelser Stadtteil Tiefenbach zugegangen. Dabei nahm die Frage nach dem Immissions- und Brandschutz im Gewerbepark Tiefenbach breiten Raum ein. Der ehemalige hessische Innenminister und einstige Landrat im Lahn-Dill-Kreis, Gerhard Bökel (SPD), trat als Sprecher einer rund 60 Personen umfassenden Interessengemeinschaft (IG) auf. Konkret geht es diesen Bürgern um die Stoffe, die von der Firma Wool.rec verarbeitet und recycelt werden.
2004 war die Firma dafür bei den Deutschen Gründer- und Unternehmertagen mit dem Titel "Gründer-Champion Hessen" ausgezeichnet worden. Das Unternehmen bereitet Mineralfaserabfälle wie Dämmmaterial aus Glas- und Steinwolle auf. Daraus wird Woolit hergestellt, ein Material, das in der Ziegelindustrie Verwendung findet.
"Die Tiefenbacher sind sehr besorgt darüber, ob sie mit kontaminierten Stoffen belastet werden", so Bökel. Die SPD im Parlament hatte eine entsprechende Anfrage formuliert. Bökel kritisierte, dass im als Gewerbegebiet ausgewiesenen Areal kein Gewerbe- sondern ein Industrieunternehmen angesiedelt worden sei.
Dies vertrage sich nicht mit dem angrenzenden Wohngebiet. Er und die IG gingen davon aus, dass die Stoffe krebserregend seien, so Bökel. Er warf Bürgermeister Wolfgang Keller (parteilos) vor, dass er sich nicht klarer gegen die Industrieanlage ausspreche. Das Material werde in großen Säcken angeliefert, gewaschen und verbrannt. Dies sei problematisch für Gewässer- wie den Brandschutz, sagte Bökel.
Auch nach Angaben des Kreisausschusses entspreche die Anlage nicht mehr der Genehmigung aus dem Jahr 2000. Folglich müsse der Betrieb stillgelegt werden, forderte Bökel. Gleichzeitig wies der ehemalige Minister darauf hin, dass das Unternehmen nach seinen Informationen wohl ernsthaft das Gewerbegebiet verlassen wolle. Er drängte den Bürgermeister und den Magistrat dafür zu sorgen, dass das danach Gelände nicht erneut als Industriegebiet genutzt werde.
Rathauschef Keller verwies bei der städtischen Bürgerversammlung darauf, dass der Betrieb und die Auflagen nicht von der Stadt sondern vom Regierungspräsidium (RP) genehmigt werden. Der Regierungspräsident habe gegenüber der Stadt zwar schon mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass die Anlage emissionsrechtlich schwierig sei, doch Tests hätten keine Beanstandungen ergeben, sagte Keller.
Besucherin Gisela Lorenz beklagte bei der Versammlung jedoch auch, dass das Unternehmen außerhalb seiner Genehmigungszeiten arbeite. Sollten sich Bürger gestört fühlen, könnten sie die Polizei zu Hilfe rufen, antwortete ihr Bürgermeister Keller. Wool.rec dürfe nur bis 22 Uhr arbeiten, informierte der Verwaltungschef.
Das Unternehmen werde wöchentlich überprüft, sagte Bürgermeister Keller. Dieser Aussage widersprach Bökel. Aufgrund der emissionsrechtlichen Genehmigung komme alle drei Jahre der TÜV und kontrolliere die Anlage.
Diese Zeitung hat beim RP nachgefragt. Es werde "eng und genau kontrolliert", so die Auskunft am Donnerstag. In den vergangenen zwölf Monaten seien Mitarbeiter 15 Mal für Stichproben und nach Beschwerden aus der Bevölkerung vor Ort gewesen. Beanstandungen seien jedoch nicht zu machen. Ein unabhängiges Institut nehme zudem alle drei Jahre mikroskopische Untersuchungen vor, der TÜV prüfe jedes Jahr, weil es sich bei Wool.rec um ein Entsorgungsunternehmen mit strengen Auflagen handele.
Geschäftsführer: Unternehmen verlässt Mitte 2011 Tiefenbach
Landwirt Peter Bouillon schimpfte bei der Versammlung empört: "Meine Tiere gehen nach und nach an der Scheiße kaputt, später auch wir und unsere Kinder." Teile der Mineralstoffe legten sich auf den Fensterbänken ab, so eine weitere Tiefenbacherin.
"Jegliche Faserbelastung hat nie stattgefunden", dabei blieb Wool.rec-Geschäftsführer Edwin Fritsch am Donnerstag auf Anfrage dieser Zeitung. In den Hallen und bei der Einfahrt werde abgesaugt und Wassernebel binde die Faserstoffe, entgegnet er den Bürgern.
Der TÜV messe an den Arbeitsplätzen und stelle keine Grenzüberschreitungen fest, so Fritsch. Zudem werde die Abluft geprüft. Den nächsten Termin habe die Firma auf Ende Oktober vorgezogen. Zugleich bestätigt der Geschäftsführer, dass Wool.rec Tiefenbach tatsächlich verlassen wird. Und zwar schon bis Mitte 2011. Dann soll eine neue Anlage in Beselich fertig sein. "Wir gehen nicht, weil wir Angst vor Bökel oder den Nachbarn haben, sondern weil wir mehr Kapazitäten brauchen und es hier keinen Platz gibt." Alle Anlagen in Tiefenbach werden dann komplett abgebaut.
Nassauische Neue Presse 1.10.10
Bedenken gegen Investor Firma Wool.rec will Werk in Beselich bauen
Die Firma Wool.rec möchte im kommenden Jahr ein Werk im Gewerbegebiet bei Obertiefenbach eröffnen. Während am jetzigen Standort eine Bürgerinitiative gegen befürchtete Gesundheitsgefahren zu Felde zieht, betonen Betreiber und Aufsichtsbehörde, dass das Werk sämtliche Grenzwerte einhalte.
Beselich. In Beselich könnte sich bis zur Mitte des kommenden Jahres ein Betrieb ansiedeln, der an seinem jetzigen Standort durchaus umstritten ist. Es geht um das Unternehmen Wool.rec aus dem Braunfelser Ortsteil Tiefenbach, das bereits seit längerer Zeit mit der Gemeinde Beselich über ein rund 2,5 Hektar großes Gewerbegrundstück im «Investzentrum» an der Bundesstraße 49 bei Obertiefenbach verhandelt. Das bestätigte Bürgermeister Kai Müller (parteilos) auf Anfrage dieser Zeitung. «Wenn alles nach Plan verläuft, planen wir für Juli oder August 2011 die Inbetriebnahme am Standort Beselich», sagte Wool.rec-Geschäftsführer Edwin Fritsch.
Umstritten ist Wool.rec wegen seiner Werkstoffe, denn die Firma arbeitet mit Glas- und Steinwolle – Materialien, die früher im Verdacht standen, Krebs auszulösen. Das Unternehmen entfernt die Mineralwolle aus alten Dämmstoffen, bereitet sie auf und verarbeitet sie zu einem Produkt unter dem Markennamen «Woolit». Es wird insbesondere bei der Herstellung von Tonziegeln verwendet, um deren Wärmedämmwerte zu erhöhen.
Grenzwerte unterschritten
Am derzeitigen Standort Tiefenbach hat sich eine Bürgerinitiative mit dem ehemaligen hessischen Innenminister Gerhard Bökel (SPD) an der Spitze gebildet, die gegen den Betrieb von Wool.rec vorgeht und von der Krebsgefahr überzeugt ist. Wool.rec-Geschäftsführer Edwin Fritsch tritt dieser Auffassung entschieden entgegen. «In unserem Betrieb werden Messungen in der Abluft und an den Arbeitsplätzen vorgenommen. Wir haben die Grenzwerte immer unterschritten», unterstrich Fritsch. Das werde durch das zuständige Regierungspräsidium (RP) in Gießen sowie durch interne Untersuchungen in Zusammenarbeit mit der Universität Gießen bewiesen. Die Messprotokolle könnten jederzeit eingesehen werden. Fritsch betonte, dass der Umzug keine Folge der Proteste in Tiefenbach sei, sondern dass eine Vergrößerung des gut laufenden Geschäfts anstehe.
Das RP erklärte auf Anfrage, dass in den vergangenen zwölf Monaten Mitarbeiter insgesamt 17 Mal für Stichproben-Untersuchungen und gezielt nach Beschwerden aus der Bevölkerung am Standort in Tiefenbach gewesen seien. Dabei habe es niemals etwas auszusetzen gegeben. Der TÜV prüfe die Anlage zudem jedes Jahr.
«Anfangs bin ich sehr skeptisch gewesen», räumte der Beselicher Bürgermeister Kai Müller ein. Dann sei er aber nach Tiefenbach gefahren und habe den Betrieb dort besichtigt. «Danach war ich nachhaltig begeistert. Dort wird ein Schadstoff angeliefert und ein zu hundert Prozent unbelasteter Rohstoff kommt aus der Anlage heraus», sagte Müller. Wenn nun noch die umweltrechtliche Genehmigung des RP für die Pläne bei Obertiefenbach erteilt werde, könne er sich nur freuen, falls Wool.rec sich für die Investition in Beselich entschließe.
Nassauische Neue Presse 15.10.10
Recycler will Bürger aufklären - Beselicher besuchten Firma Woolrec
Die geplante Ansiedlung der Firma Woolrec im Industriegebiet Beselich stößt bei einigen Bürgern auf Skepsis. Eine Betriebsbesichtigung am Donnerstagabend sollte Zweifel beseitigen und zur Aufklärung beitragen.Beselich/Braunfels. Die im Beselicher Industriegebiet «Investzentrum» geplante Mineralfaser-Recyclinganlage der Braunfelser Firma Woolrec ist so konzipiert, dass sie – zumindest theoretisch – emissionsfrei läuft. Dies erfuhren die Teilnehmer einer Betriebsbesichtigung in dem Tiefenbacher Werk am Donnerstagabend. Nicht nur die Gemeindevertretung und der Gemeindevorstand informierten sich nahezu vollständig über das patentierte Verfahren, in dem alte Mineralfaserdämmstoffe zur weiteren Verwendung («Woolit») aufbereitet werden, sondern auch Gegner des Projekts, die ihre Bedenken unter anderem in Leserbriefen an diese Zeitung vorgetragen hatten.
Die Besichtigungsteilnehmer, so der Beselicher Büroleiter Markus Sehr, seien von Firmeninhaber Edwin Fritsch, Bernd Heinstein von der «Hessischen Industriemüll» (HIM) sowie dem Gießener Universitätsprofessor Dr. Stefan Gäth umfassend informiert worden. Auch hätten die Beselicher Gäste die Gelegenheit rege genutzt, – auch kritische – Fragen zu stellen. So erfuhren sie beispielsweise, dass die Anlage abschaltet, wenn eine einzige Faser messbar in die Luft entweicht. Denn das Ziel sei es, dass das Verfahren ohne jede Belastung für die Umwelt läuft, sagte Sehr.
Das Unternehmen Woolrec habe außerdem zugesagt, dass es keine asbestbelasteten Materialien aufbereiten wolle, obwohl dies technisch offenbar möglich sei. Aus ökologischen Gründen, aber auch zur Imagepflege nehme die Firma davon allerdings Abstand, habe Firmenchef Fritsch erklärt. An diesen Asbest-Verzicht wolle sich Woolrec auch vertraglich binden lassen.
Der Wunsch von einigen Besichtigungsteilnehmern nach zusätzlichen Messungen in der Anfangsphase habe Fritsch zumindest in Aussicht gestellt, zumal dies nach Information von Prof. Gäth möglich sei. Weiterhin habe Fritsch erklärt, dass er Einsicht in die Unterlagen die Messprotokolle des Bundesimmissionsschutzverfahrens (BImSch) gewähren will. Dies sei aus patentrechtlichen Gründen bisher nicht möglich gewesen. Denn Woolrec habe sich sein Recyclingverfahren in 14 europäischen Ländern patentieren lasse und wolle nicht Gefahr laufen, dass es kopiert wird. Vereinbart wurde, dass alle Beselicher Bürger voraussichtlich bis Anfang November in einer Bürgerversammlung informiert werden. Ein Termin wird demnächst bekanntgegeben, sagte Sehr. Sowohl Woolrec als auch die Gemeinde Beselich seien an größtmöglicher Transparenz interessiert. Sehr stellte aber auch klar, dass noch keine abschließende Entscheidung über die Ansiedelung von Woolrec in Beselich gefällt ist. Diese werde am 8. November oder, falls die Bürgerversammlung nicht rechtzeitig zustande kommt, etwas später von der Gemeindevertretung getroffen. goe
Weilburger Tageblatt 15.10.2010 Beselich
Gemeinde Beselich plant Bürgerversammlung -Beselicher sollen über Pläne zur Ansiedelung der Firma Wool.rec im Investzentrum informiert werden
Beselich (car). Wegen der geplanten Ansiedelung der Firma Wool.rec im Gewerbegebiet Investzentrum in Beselich soll es in Kürze eine Bürgerversammlung geben. Das hat die Verwaltung gestern angekündigt. Ein genaues Datum stünde noch nicht fest, teilte Hauptamtsleiter Markus Sehr mit. Sowohl die Gemeindevertreter als auch die Mitglieder des Gemeindevorstands sind am Donnerstag gemeinsam mit einigen Bürgern nach Braunfels-Tiefenbach gefahren, wo Wool.rec derzeit ansässig ist. Dort haben die Beselicher den Betrieb besichtigt. Anschließend beantworteten Wool.rec-Geschäftsführer Edwin Fritsch, Bernd Heinstein (Hessische Industriemüll Gesellschaft, HIM) sowie Professor Stefan Gäth vom Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement der Universität Gießen den Besuchern Fragen.
"Es wird kein Asbest aufbereitet. Wool.rec ist bereit, dies der Gemeinde Beselich vertraglich zuzusichern", berichtete Markus Sehr unter anderem von den Erkenntnissen, die die Besucher mitnahmen.
Unterlagen sind einzusehen
Wool.rec habe zudem angekündigt, teilweise Einblick in Unterlagen zu geben, die bisher für die Öffentlichkeit nicht einzusehen waren. Derzeit läuft ein Antrag nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, der vom Regierungspräsidium Gießen als zuständiger Aufsichtsbehörde geprüft wird. In dem Verfahren wird unter anderem geregelt, welche Stoffe Wool.rec am neuen Standort in Beselich verarbeiten darf.
Unterlagen für diesen Antrag waren bisher aus Gründen des Patentschutzes nicht einzusehen. Nach Auskunft der Beselicher Verwaltung wolle Wool.rec nun aber Unterlagen zur Einsicht für die Öffentlichkeit freigeben, darunter zum Beispiel Messprotokolle.
Entscheidung fällt im November
Über die Ansiedlung von Wool.rec will die Gemeindevertretung voraussichtlich in ihrer November-Sitzung befinden.
Die Pläne der Firma, im Sommer 2011 einen neuen Standort in Obertiefenbach zu eröffnen, hatte in Heckholzhausen für Unmut gesorgt (diese Zeitung berichtete). Am jetzigen Standort in Tiefenbach hat sich wegen befürchteter Gesundheitsgefahren eine Bürgerinitiative gegründet. Umstritten ist Wool.rec wegen Werkstoffen, die dort verarbeitet werden.
Beselichs Bürgermeister Kai Müller (SPD) befürwortet die Ansiedlungspläne der Firma.